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Mietstreik in Warschau Aktivierung und Organisation im Kontext sozialer Atomisierung

Opublikowane 18/02/11 o godz.12:24 w kategorii Deutsch.
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Der Mietstreik in Warschau läuft seit dem 1. Oktober. Obwohl die Gründe dafür bis zu einer Viertelmillion Menschen in der Hauptstadt Polens betreffen, ist die Anzahl der sich beteiligenden MieterInnen bislang nicht signifikant. Das Fehlen einer diesbezüglichen Tradition und die Atomisierung der Gesellschaft sind hierfür ausschlaggebend â typische Phänomene in den ehemaligen Staaten des sowjetischen Blocks. Auäerdem gibt es nur eine geringe Anzahl an Basisbewegungen in Polen und die Linke schätzt radikale Aktionen jenseits reformistischen und parteipolitischen Engagements nur äußerst gering.[1]

Die Warschauer ZSP, die zu dem Streik aufgerufen hat, macht sich seit Beginn des Mietstreiks keine Illusionen und hat die Aktion auf längere Zeit ausgelegt. Die Verzweifelten sollen sich daran beteiligen, diejenigen, die nichts zu verlieren haben. Unsere Hoffnung ist, dass die Bewegung wächst, sobald die Menschen sehen, dass unser Netzwerk expandiert. Die Aktivierung der Nachbarschaft ist die wichtigste Herausforderung und ein Element, durch das sich die momentane Situation ändern kann. Für uns hat der Streik nach zwei Monaten erst richtig begonnen.

Die ZSP betrachtet den Streik als notwendige Eskalation des sozialen Protests gegen die asoziale Wohnungspolitik, die Massenprivatisierungen und die Gentrifikation. Wichtiger noch: es ist ein Weg die Menschen zu aktivieren, die ihre Miete nicht zahlen können oder die durch andere Gründe der Gefahr ausgesetzt sind obdachlos zu werden. Sie sollen sich selbst organisieren und sich zur Wehr setzen anstatt dem Elend und der Verzweiflung anheim zu fallen.

Unsere Beteiligung in der MieterInnen-Bewegung begann vor ungefähr anderthalb Jahren, als die Stadt Warschau begann eine Reihe beispielloser Maänahmen zu erlassen. Dazu zählten drastische Mieterhähungen, zunehmende Privatisierung öffentlichen Wohnraums und die Verschärfung der Kriterien zur Vergabe solcher Wohnungen. Gemeinsam mit MieterInnen aus der Nachbarschaft gründeten unsere Mitglieder das MieterInnen-Verteidigungs-Komitee [2].

Die ersten Proteste wurden von den drastischen Mieterhähungen in Warschau ausgeläst, die 200% bis 300% betrugen. Tatsächlich erhähten sich die Mieten für einige MieterInnen noch mehr, infolge von Strafen, welche die Stadt eingefährt hat. Die Stadt kann bis zu 300% mehr verlangen, sobald MieterInnen Schulden bei ihr haben oder vergaßen Papierkram zu erledigen. Im schlimmsten Fall hatte irgendein Bürokrat seine Aufgaben schlampig erledigt und jetzt müssen die MieterInnen dafür zahlen.

Trotz vieler Proteste und formaler Versuche, die Regelungen außer Kraft zu setzen, lenkten die lokalen Behörden nicht ein. Sie argumentieren, dass die zusätzlichen Einnahmen zur Sanierung ruinierter Häuser eingesetzt werden. Tatsächlich wurden nur magere 1% in Reparaturen investiert.

Viele Menschen, vor allem ältere, können sich die neuen Mieten nicht leisten. Immer mehr leben jetzt in Privatwohnungen, die vorher Eigentum der Stadt gewesen sind, infolge des Privatisierungsprozesses. Dieser Prozess betrifft Tausende. Sobald eine Wohnung nicht mehr öffentliches Eigentum ist, steht es den EigentümerInnen frei, die Miete zu erhöhen. Viele MieterInnen stehen vor der Entscheidung, ihr Geld für Essen und Medikamente auszugeben oder die Miete zu bezahlen. Die Sozialhilfe ist nur sehr gering und viele Hilfsbedärftige befinden sich außerhalb der Sozialsystems. So gibt es beispielsweise Mietzuschüsse für Bedürftige mit niedrigem Einkommen, außer wenn sie Mietrückstände haben (!!!) oder wenn es Probleme mit Papierkram gegeben hat. Die skandalösen Entscheidungen wurden getroffen, als bereits eine groäe Anzahl Betroffener solche Mietrückstände aufzuweisen hatte. Die Anzahl derer hat sich im vergangenen Jahr drastisch erhöht; so gibt es Gegenden, in den 50-60% der BewohnerInnen öffentlicher Wohnungen Mietrückstände haben und kurz vor der Obdachlosigkeit stehen.

Im Kontext der zunehmenden sozialen Atomisierung entstand eine obszäne Situation. Die Menschen verhalten sich generell so, als wäre ihre Situation lediglich persänlich verschuldet. Sie haben die dominierende neoliberale Logik verinnerlicht: wenn jemand seine Miete nicht zahlen kann, dann ist das nicht die Schuld des Systems und sicherlich nicht Schuld die des gierigen Hausbesitzers oder Spekulanten oder die des Politikers, der lieber sein Bäro neu einrichtet, bevor er Geld in den öffentlichen Wohnungsbau investiert. Die neoliberale Logik macht den einzelnen dafür verantwortlich: wenn du nicht in der Lage bist, dir deine eigene Wohnung zu leisten, dann musst du die Konsequenzen dafür in Kauf nehmen. An der Spitze dieser Verinnerlichung steht die Implikation, dass BewohnerInnen von Wohnungen in öffentlicher Hand Schmarotzer sind. PolitikerInnen und Offizielle vermitteln das unglücklicherweise. Doch einer der entscheidendsten Faktoren ist das Gefühl der sozialen Machtlosigkeit, dass nichts getan werden kann und das Fehlen jeglicher Motivation, sich mit den Nachbarn zu solidarisieren und etwas zu tun. Dies ist eine Folge eines äber Jahre geschürten Ressentiments, das die Leute gegeneinander aufgehetzt hat. Uns begegnen immer wieder Fälle, in welchem der Mangel an Solidarität durch das Misstrauen ausgelöst wird, dass die Nachbarn aufgrund persönlicher Defekte in die Schuldensituation geraten sind.

Alle diese Elemente machen es sehr schwer, eine effektive Gegenwehr zu den aktuellen Wohnungsproblemen auf die Beine zu stellen. Trotzdem ist die von uns ins Leben gerufene Aktion ein großer Erfolg in der ansonsten äden Landschaft unserer Stadt. Aber das ist nur relativ; der Organisationsgrad beträgt nur wenige hundert Menschen, im Vergleich zu den Tausenden, die von der Lage betroffen sind. Es ist nur die Spitze des Eisbergs, doch es bedarf der Geduld, da dieser Aufbauprozess notwendig ist, damit wir mehr Menschen erreichen und unser Protest größere Proportionen annehmen kann.

So viele Menschen stehen heute kurz davor obdachlos zu werden. In anderen Länder, in denen sich soziale Bewegungen besser entwickelt haben, wird man sich wundern, warum nicht die ganze Stadt Warschau dem Mietstreik beitritt. Aber wir sind in Polen. Es ist eines der einzigen Länder, in denen die Massenprivatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens nicht mit Protesten beantwortet wurde. Es ist das einzige Land in Europa, das während der Krise ein starkes Wachstum zu verzeichnen hatte, aber nur weil die ArbeiterInnen eher Lohnkürzungen akzeptieren als zu streiken. Dieses soziale Vakuum ist nur schwer erklärbar und noch schwerer zu verstehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Doch innerhalb dieses Vakuums gibt es kleine Gruppen, die den Widerstand organisieren und eine immer größerer Anzahl derjenigen, die von den Entwicklungen betroffen sind.

Wir fühlen uns gestärkt und ermutigt, wenn wir Menschen sehen, die aktiv werden, die sich weigern klein bei zu geben und für ihre eigene Sache kämpfen. Nicht alle gewinnen diesen Kampf, doch wenn jemand gewinnt, ist das ein kollektiver Erfolg, den wir gemeinsam feiern. Und es ist eine Inspiration für andere. Das ist ein wichtiges Element für uns beim Mietstreik. Bevor einzelne sich der Gefahr der Obdachlosigkeit aussetzen oder anderen in individuellen Fällen zur Hilfe eilen, empfiehlt sich die gemeinsame Aktion. Es sind letztlich diese kollektiven Aktionen und nicht Einzelaktionen, welche in der Lage sind, die vorherrschende Politik zu verändern. Wenn Menschen nicht in der Lage sind ihre Miete zu bezahlen oder von antisozialen Maßnahmen betroffen sind, fordern wir sie dazu auf dem Mietstreik beizutreten und ihre Rechte gemeinsam mit anderen zu verteidigen.

Doch über welche Art der Verteidigung reden wir? Das zeigt sich in den kommenden Monaten. Die für die Gentrifikation zuständigen Oberhäupter der Stadt haben sich nun doch entschlossen ein paar Häuser zu sanieren. Abgesehen davon, dass die Menschen jahrelang in heruntergekommenen und kalten Wohnungen leben mussten, stellt sich das Problem, dass die MieterInnen aufgrund bevorstehender Sanierungen die Wohnung wechseln müssen und nur die wenigsten eine Berechtigung erhalten, erneut öffentlichen Wohnraum zu beanspruchen.

Wie kommt das? Einige Familien erhielten vor wenigen Jahren Zugang zu diesen Wohnungen. Praktisch alle lebten während der Zeit der Volksrepublik Polen darin. Nach dem Übergang zur Demokratie verblieben einige in diesen Wohnungen. Teilweise wurden die Wohnungen an MieterInnen verkauft. Augenblicklich belegen einige Menschen öffentlichen Wohnraum deren Einkommen das Limit der dafür qualifizierten MieterInnen übersteigt. Aber die Stadt kontrolliert nicht das Einkommen aller MieterInnen. Es ist ein zufälliger Prozess. Sobald sie entscheidet, dass deine Wohnung privatisiert oder saniert werden soll und du oberhalb des Einkommenslimits liegst, bist du auf dich alleine gestellt. Wenn deine Wohnung in einem guten Zustand ist, darfst du bleiben.

Eines der Mitglieder unseres Komitees, ein ehemaliger Bauingenieur, klärte die Inspektoren der Stadt über die lebensgefährliche Baufälligkeit des Hauses auf, in dem er wohnt. Das stellt neben der Vergiftung durch Kohlenmonoxid und Brände die größte Gefahr für MieterInnen dar. Dank seiner Intervention wurde das Gebäude saniert.
Dieser 73 jährige alte Mann, der sein ganzes Leben hart gearbeitet hat und eine Pension erhält von der er leben kann, wird allerdings keinen öffentlichen Wohnraum mehr beanspruchen dürfen. Er ist “zu reich”. Wir werden alles dafür tun um diese Lächerlichkeit zu verhindern. Diese Situation ereignet sich immer wieder wo wir uns mit MieterInnen organisieren und hoffentlich kommt der Tag an dem die Stadtbewohner sehen, was kollektive Aktionen bewirken können.

Eine unserer bevorstehenden Kampagnen wird für die Erhöhung des Einkommenslimits sein, das Menschen erlaubt, öffentlichen Wohnraum zu beanspruchen. Das ist bereits jetzt einer der Forderungen des Mietstreiks. Alle, die mehr als das monatliche Mindesteinkommen von 340Euro erhalten, dürfen keine öffentliche Wohnung beanspruchen, da sie sie sich angeblich eine kommerzielle Miete leisten können. Sobald ein Gebäude saniert oder abgerissen wird, muss man sich einer Prüfung seines Einkommens unterziehen. Dabei ist es egal, ob man 90 Jahre alt ist oder krank. Eins unserer Mitglieder erhält eine Pension, die 25Euro über dem Mindesteinkommen liegt. Sie hat einen kranken Ehemann, den der Stress so mitgenommen hat, dass er vielleicht stirbt. Sie erhielt ein paar sehr hilfreiche Vorschläge von der lokalen Behärde: ihr Sohn könnte drei Jobs annehmen, reich heiraten oder sie kännte einen Kredit aufnehmen um sich eine neue Wohnung zu leisten. Auf diese grausamen Weise bedroht die polnische Regierung ihre Bevölkerung.

Als Antwort haben wir die lokale Behörde, die in tausenden solcher Fälle ein blindes Auge hat, gefragt, WO denn günstiger Wohnraum zu finden sei. Wir haben offiziell nach einer Liste verlangt, in der billige Wohnungen genannt werden, die sich Menschen mit einer bestimmten Spanne an Einkommen leisten können. Wir wissen, dass wir diese Liste nie bekommen werden. Und der kommerzielle Wohnungsmarkt bietet solche Wohnung nicht an.

Wir erstellen augenblicklich einen neuen Report, in dem festgestellt wird, dass die Miete für ein Ein-Zimmer-Appartement in Warschau ab 400Eurozu haben ist. Viele Menschen verdienen einerseits zu viel für eine Wohnung, die der Stadt gehört, und andererseits zu wenig für den kommerziellen Wohnungsmarkt. Für sie stellt die augenblickliche Situation eine Herausforderung dar; sie werden in kleine Wohnung gepresst und leben in prekären Verhältnissen. Stell dir ein Ehepaar im Alter von 70 bis 80 Jahren vor, das dazu aufgefordert wird, seine Wohnung zu verlassen, in der es seit äber 50 Jahren lebt, und das einen Großteil seines Geldes zukünftig einem Miethai in den Rachen schmeißen muss, der ihm jederzeit kündigen kann. Das erleben wir jeden Tag. Die Menschen kommen völlig aufgelöst und hysterisch zu uns. Sie fragen sich, wie sie die neue Situation bewältigen können und ob sie den Stress überhaupt äberleben.

Soziale Wohnungen für die Obdachlosen? Sie existieren, aber es gibt nur sehr wenige davon. Und der vorhandene Wohnraum für Obdachlose ist noch wesentlich schlechter als der für reguläre MieterInnen. Es gibt Toiletten im Flur, die von allen benutzt werden mässen. Vielleicht gibt es zukänftig Container, wie in anderen Ländern, irgendwo auäerhalb der Stadt, weit entfernt von den Geschäften – vällige Verelendung. Diese Notunterkänfte verschlechtern die Gesundheit der älteren, wenn sie sie nicht das Leben kosten werden.

Letztes Jahr begannen wir, MieterInnen im groäen Maästab zu helfen, obwohl der Bedarf unsere Kapazitäten bei weitem äbersteigt. Seit dieser Zeit, bekommen wir mehr und mehr Horrorgeschichten zu hären: MieterInnen, denen von gierigen WohnungseigentümerInnen die Heizung, der Strom oder das Wasser abgestellt wird oder die dazu gezwungen werden, in baufälligen Häusern zu leben. Manchmal wurden Häuser sogar angezändet. In einigen Fällen hatten die MieterInnen, denen der Strom und das Wasser bereits abgestellt wurden, Angst ihre Wohnung zu verlassen, weil die Gefahr bestand, dass der Vermieter das Schloss ihrer Wohnung auswechselt. Vergangenes Jahr begannen MieterInnen ihre Häuser zu verbarrikadieren, um sich vor der Obdachlosigkeit zu schätzen. Sie überlebten durch Kärbe, die sie aus dem Fenster lieäen und in die Nachbarn dann Lebensmittel legten. Das waren die ersten Formen spontaner Gegenwehr.

Da die PolitikerInnen und SpekulantInnen ihre Pläne bereits geschmiedet haben, machen wir jetzt unsere eigenen. Als Antwort organisieren wir direkte Aktionen mit BewohnerInnen bestimmter Häuser oder Nachbarschaften. Im Winter 2009 besetzten verzweifelte MieterInnen, den die Gasheizung abgedreht worden war, das Bäro einer lokalen Behärde und blockierten sie für zwei Wochen.[4] Infolge dessen erhielten einige der Protestierenden eine Wohnung mit ausreichenden Standards.

Im Herbst letzten Jahres besetzten wir das Bäro der Warschauer Bürgermeisterin im Rathaus und forderten den Zugang zu öffentlichem Wohnraum für die Mitglieder unseres Komitees. Versammlungen im Rathaus wurden von uns mehrfach unterbrochen. Manchmal fährten diese Aktionen zu kleinen Erfolgen. Doch wir mässen noch viel härter vorgehen um diese “Thatcher-Typen auf Anabolika” zu bekämpfen.

Im Frühling und Sommer letzten Jahres begannen wir, Leute zu beraten, um sie in die Lage zu versetzen, eigene Organisationen zu gränden. Infolgedessen gibt es heute eine Koalition aus rund 32 Gruppen, die meistens aus einer geringen Anzahl von MieterInnen besteht. Unsere Idee war der gemeinsame Kampf, aber wie so oft entstanden Meinungsverschiedenheiten über die Vorgehensweise. Kurz vor den Wahlen im November entschieden sich einige der moderaten AktivistInnen für öffentliche Ämter zu kandidieren [5] und forderten uns zu Mäßigung und Geduld auf, was für uns eine kritische Zeit war. Doch wir machten uns keine Illusionen darüber und sprachen uns für die Eskalation der Proteste aus, indem wir zum Mietstreik aufriefen.

Die ZSP spricht sich strikt gegen die Beteiligung an Wahlen aus. Das hat nicht nur mit unserer anarchistischen Überzeugung zu tun. Daher wurde unsere Meinung weitestgehend akzeptiert und als rechtmäßig angesehen. Wir rufen stattdessen die MieterInnen zur Selbstorganisation auf und betonen, dass sie nur durch organisierte Komitees in der Nachbarschaft in der Lage sind, die eigenen Probleme zu bewältigen. Es sind nicht die PolitikerInnen, die nur einmal alle vier Jahre ihr Interesse heucheln. Inzwischen sind wir Teil regelmääiger öffentlicher Versammlungen.

Zuräck zum Mietstreik. Bei jedem Treffen rufen wir die Menschen dazu auf, sich selbst zu organisieren und etwas für den Streik zu tun, selbst wenn sie demgegenüber skeptisch sind. Wir erklären ihnen, wie sie eine lebendige Bewegung in der Nachbarschaft aufbauen können und wie sie dadurch sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele erreichen können. Die Hauptforderungen des Mietstreiks sind akzeptable Mieten, eine realistische Einschätzung des Einkommenslimits, die die Marktmieten berücksichtigt, eine Ausweitung des öffentlichen Wohnungsbaus, ein Stopp der Privatisierungen, die Sanierung baufälliger Gebäude, und wenn für ein baufälliges Gebäude Ersatz geschaffen werden muss, dann soll das in der gleichen Gegend geschehen und nicht in irgendwelchen Neubaughettos. Wir müssen außerdem ständig das Treiben der PolitikerInnen beobachten und versuchen bevorstehende ungünstige Gesetzesänderungen oder Entscheidungen des Stadtrats zu blockieren .

Daneben verbreiten wir eine Vision: die Idee der Kontrolle öffentlichen Wohnraums durch die MieterInnen selbst und die Gesellschaft. Dadurch machen wir Grundforderungen des Anarchismus bekannt und stellen die neoliberale Ideologie in Frage, wie die Vorherrschaft privaten Eigentums oder die Gesetze des Marktes. Das geht so weit, dass Leute, mit denen wir zu tun haben, sich nun selbst als AnarchistInnen sehen und in Versammlungen anderen erklären, wie “wir AnarchistInnen daräber denken”.

Ob sich dieses Ideal weiter verbreitet, wird sich zeigen. Immer mehr Menschen werden durch die Schuldenfalle von der Obdachlosigkeit, von Privatisierung oder Zerstörung ihrer Häuser bedroht sind. Ob sich direkte Aktionen gegen Räumungen oder Umsiedlung in Ghettos und die Aktivierung der Nachbarschaft verbreiten, ist nicht abzusehen.

Eine Sache muss hier noch angesprochen werden. Es gibt viele Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung von Wohnraum, und es gibt das organisierte Verbrechen. Sie behaupten, dass ihnen eine Wohnung vererbt wurde oder dass sie der rechtmääige Eigentämer sind. Bestimmte Firmen tauchen in diesem Kontext immer wieder auf, und in einigen Fällen stehen sie in Verbindung mit dem Ehemann der Bürgermeisterin von Warschau und anderen prominenten Figuren. Welche Rolle spielt die Stadt in diesem kriminellen Prozess?

Unglücklicherweise verweigert die Stadt jeden Zugang zu Informationen und zu den Privatisierungsplänen. MieterInnen sind keine Parteien mit Einspruchsrecht und oftmals erfahren sie erst, dass ihre Wohnung privatisiert worden ist und sie keine SozialmieterInnen mehr sind, wenn der ganze Verwaltungsvorgang bereits abgeschlossen ist.

In dieser Situation ist es nicht mehr mäglich zu reagieren. Selbst wenn sie in der Lage sind, einen Betrug aufzudecken, kann ihnen das polnische Gesetz nicht helfen, sobald die Wohnung an Dritte verkauft worden ist. Das Gesetz geht davon aus, dass die Wohnung “im guten Glauben” verkauft wurde, selbst wenn erst ein Betrug dazu führte. In dieser Angelegenheit ist es das Ziel der Mafia, die Wohnungen so schnell es geht wieder zu verkaufen.

Das ist einer der Gründe, warum die MieterInnen für Informationsfreiheit kämpfen. Aber die Stadt macht es ihnen sehr schwer und in einigen Fällen leugneten Angestellte der Stadt sogar die Existenz einer Liste über öffentlichen Wohnraum. Das betrifft sogar die höchsten städtischen Stellen: So erklärte uns der ehemalige Vizebürgermeister, dass eine solche Liste nicht existiert. Aber die “nicht-existente” Auflistung öffentlichen Wohnraums ist der ZSP bekannt. Trotz Drohungen der Stadt, gerichtlich gegen uns vorzugehen, haben wir damit begonnen, diese als vertraulich eingestuften Informationen der Öffentlichkeit preis zu geben. Die erste von uns veröffentlichte Liste enthält 1500 Gebäude.

Wir erklärten der Stadt, dass sie den Menschen die Informationen geben müssen, denn wir bekommen sie sowieso. Kurz danach besetzten wir das Bäro der Warschauer Bürgermeisterin im Rathaus. Obwohl das keine Massenaktion gewesen ist, haben sich die Verantwortlichen in die Hosen geschissen. Am nächsten Tag verkändeten sie die Veröffentlichung der Liste auf der Homepage der Stadt am 15. November. Ein Erfolg durch direkte Aktion!

Nicht ganz allerdings. Wie äblich taten sie nicht, was sie versprochen hatten. Also zuräck an die Arbeit. In unserer Hand sind zwei weitere Listen, die wir gemeinsam mit bestimmten MieterInnengruppen veröffentlichen werden. Die Listen enthalten die Warnung, dass sie ohne Genehmigung der Bürgermeisterin auf keinen Fall kopiert, publiziert oder verteilt werden därfen. Daran halten wir uns nicht.

Was das Resultat von alledem sein wird, wissen wir nicht. In der Zwischenzeit fähren wir unseren Kampf fort.

[1] Bekannte Linke, die von der europäischen Sozialdemokratie unterstätzt werden, haben die MieterInnen dazu aufgerufen, sich nicht an dem Mietstreik zu beteiligen und zu bedenken gegeben, dass eine Beteiligung juristische Folgen nach sich ziehen wird.

[2] Polnische Webseite: www.lokatorzy.info.pl . Einige der Aktionen an denen wir uns beteiligten sind auf Englisch auf dem Blog der ZSP Warschau zu finden: www.zspwawa.blogspot.com

[3] Rund 1000 Gebäude wurden bisher privatisiert, doch der Prozess hat gerade erst begonnen; insgesamt sind ungefähr 10.000 Gebäude eingeplant. Die Daten daräber sind sehr chaotisch und der Zugang zu diesen Informationen ist hart umkämpft. Obwohl eine sehr groäe Anzahl an MieterInnen davon betroffen ist, hat die Stadt bislang nichts äber die Hähe und Orte der Privatisierung verlauten lassen.

[4] Siehe www.zspwawa.blogspot.com im Archiv Januar 2010

[5] Keine/r der MieterInnen wurde gewählt. Und das moderate Verhalten hat die Bewegung geschwächt. Wir hoffen, dass die Menschen aus dieser Episode lernen. Es ist gleichzeitig eine Herausforderung.
Ironischerweise wurde einem unserer ZSP-Mitglieder der erste Platz einer Wahlliste angeboten, was er naturgemäß abgelehnt hat. Er ist viel wertvoller für uns in der Basisarbeit als wenn er seinen Kopf sinnlos gegen eine Wand aus Bonzen im Stadtrat schlägt. Noch immer glauben einige unserer Nachbarn nach wie vor, dass das Wählen von Repräsentanten die Lösung der Probleme ist und nicht die Gründung einer selbständigen Bewegung. Sie kritisieren unsere Entscheidung, nicht in die Politik zu gehen. Eine der Herausforderungen, denen wir ständig gegenüber stehen, ist die Überzeugungsarbeit, dass die Menschen ihre Probleme nur selbst läsen können und nicht dadurch, dass sie Macht an andere delegieren.

[6] Neben den oben erwähnten BefürworterInnen von Wahlen findet sich eine größere Menge Menschen, die der Auffassung sind, dass alle PolitikerInnen Abschaum sind. Wir versuchen diese Haltung in den Glauben an die Selbstverwaltung zu äberfähren.

[7] Die Privatisierung eines Hauses mit Mietern, ohne Ersatzvergabe, verstäät gegen die europäische Sozialcharta. Slowenien hatte dieses Problem. Slowenien konnte dafür zur Verantwortung gezogen werden, Polen kann es nicht, denn es hat zwar die ESC ratifiziert, aber nicht vollständig. Die ESC aus dem Jahr 2005 hat Polen nie unterschrieben.
Es verweigerte sich ebenso den Zusatzprotokollen der europäischen Sozialcharta und dem Zusatzprotokoll für öffentliche Angelegenheiten.

Eine der derzeit laufenden Kampagnen des MieterInnen-Verteidigungs-Komitees fordert die Ratifizierung dieser Dokumente ein, was den MieterInnen eine Rechtsgrundlage geben wärde, um die polnische Regierung bei europäischen Institutionen verklagen zu kännen. Doch wir machen uns keine Illusionen daräber und wissen, dass Kapitalismus und Profit vor Menschenrechte gehen, trotz all der nobel klingenden Erklärungen.

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